Kevelaer
Päpstliche Marienbasilika
Erbaut 1907 durch Ernst Seifert





Die Disposition lautet:

I. Hauptwerk (C - c4) II. Oberwerk (C - c4) III. Schwellwerk (C - c4)
Principal 16 '
Bordun 16 '
Gamba 16 '
Tuba 16 '
Seraphon Principal 8 '
Principal 8 '
Seraphon Fugara 8 '
Seraphon Flöte 8 '
Flaut major 8 '
Gamba 8 '
Gemshorn 8 '
Gedackt 8 '
Violine 8 '
Trompete 8 '
Euphone 8 '
Seraphon Octave 4 '
Seraphon Fugara 4 '
Hohlflöte 4 '
Octave 4 '
Flauto 4 '
Octave 2 '
Clarine 2 '
Octavin 1 '
Quinte 5 1/3 '
Terz 3 1/5 '
Quinte 2 2/3 '
Cornett 4fach
Mixtur 5fach
Cymbel 5fach
II an I
III an I
IV an I
Pedalkoppel I
Subctavkoppel II an I
Subctavkoppel III an I
Subctavkoppel IV an I
Superoctavkoppel I
Superoctavkoppel II an I
Superoctavkoppel III an I
Superoctavkoppel IV an I
Auxilliar an I
Bombardenclavier an I
Seraphon Celesta an I
Melodiekoppel


Viola 16 '
Gedackt 16 '
Fagott 16 '
Principal 8 '
Seraphon Gamba 8 '
Seraphon Gedackt 8 '
Cello 8 '
Quintatön 8 '
Rohrflöte 8 '
Dolce 8 '
Flaut harmonique 8 '
Vox Angelica 8 '
Trompete 8 '
Clarinette 8 '
Octave 4 '
Rohrflöte 4 '
Violine 4 '
Flauto dolce 4 '
Octave 2 '
Piccolo 2 '
Nasard 2 2/3 '
Terz 1 3/5 '
Sesquialter 2fach
Progressio 3fach
Mixtur 4fach
Cornett 5fach
III an II
IV an II
Subctavkoppel III an II
Subctavkoppel IV an II
Superoctavkoppel III an II
Superoctavkoppel IV an II
Auxilliar an II
Bombardenclavier an II
Seraphon Celesta an II
Tuba 16 '
Salicet 16 '
Lieblich Gedackt 16 '
Seraphon Principal 8 '
Geigenprincipal 8 '
Seraphon Concertflöte 8 '
Seraphon Violine 8 '
Salicional 8 '
Horn 8 '
Gedackt 8 '
Flaut Amabile 8 '
Aeoline 8 '
Vox Coelestis 8 '
Trompete 8 '
Oboe 8 '
Krummhorn 8 '
Vox humana 8 '
Gemshorn 4 '
Cremona 4 '
Traversflöte 4 '
Octave 4 '
Nachthorn 4 '
Clairon 4 '
Quintflöte 2 2/3 '
Flautino 2 '
Terzflöte 1 3/5 '
Harmonia 3fach
Cornett 5fach
Mixtur 5fach
Carrillon 3fach
Tremolo
IV an III
Superoctavkoppel III
Subctavkoppel IV an III
Superoctavkoppel IV an III
Auxilliar an III
Bombardenclavier an III
Seraphon Celesta an III
IV. Fernwerk (C - c4)
Pedal (C - f1) Auxilliarwerk (C - c4)
Bordun 16 '
Principal 8 '
Seraphon Flöte 8 '
Gedackt 8 '
Violine 8 '
Quintatön 8 '
Aeoline 8 '
Vox Coelestis 8 '
Trompete 8 '
Cor Anglais 8 '
Labial Oboe 8 '
Octave 4 '
Traversflöte 4 '
Waldflöte 2 '
Sesquialter 2fach
Celesta
Superoctavkoppel IV
Auxilliar an IV
Bombardenclavier an IV
Seraphon Celesta an IV

Contrabaß 32 '
Bordun 32 '
Bombarde 32 '
Principalbaß 16 '
Octavbaß 16 '
Violon 16 '
Subbaß 16 '
Salicetbaß 16 '
Posaune 16 '
Trompete 16 '
Terz 12 4/5 '
Principal 8 '
Cello 8 '
Baßflöte 8 '
Bordun 8 '
Dulciana 8 '
Trompete 8 '
Fagott 8 '
Quintbass 10 2/3 '
Terzbass 6 2/5 '
Quinte 5 1/3 '
Septime 4 4/7 '
Seraphon Fugara 4 '
Octave 4 '
Flöte 4 '
Clairon 4 '
Seraphon Clarino 2 '
Pedalkoppel I (C - g1)
Pedalkoppel II (C - g1)
Pedalkoppel III (C - g1)
Pedalkoppel IV (C - g1)
Superoctavkoppel I an P(C - g1)
Quintkoppel
Auxilliar an Pedal (C - g1)
Bombardenclav. an Pedal (C - g1)
Seraphon Celesta an Pedal (C - g1)

Pommer 16 '
Principal 8 '
Gedackt 8 '
Salicional 8 '
Dulziana 8 '
Unda Maris 8 '
Oktave 4 '
Koppelflöte 4 '
Viola 4 '
Larigot 1 1/3 '
Cor Anglais 16 '
Hautbois 8 '
Clairon 4 '
Feste Kombinationen Bombardenclavier
Principalchor
Gambenchor
Violinenchor
Flötenchor
Forte I
Forte II
Forte III
Handregister
Tutti
Fortissimo
Forte
Mezzoforte
Piano
Pianissimo
Automatisches Pedal III
Automatisches Pedal IV
Manual Rohrwerke ab
Manual Rohrwerke zu
Seraphone zu
Crescendo ab
Forte Fernwerk
Piano Fernwerk
Crescendo ab Fernwerk
Aus Hauptorgel
Aus Fernwerk
Frei Combination schwarz
Frei Combination weiß

Tuba magna 16 '
Tuba mirabilis 8 '
Cor harmonique 4 '
Fernpedal Nebenstimmen
Fernpedal
Subbaß 16 '
Gedacktbaß 16 '
Octavbaß 8 '



vakant
Seraphon Celesta
Cymbelstern


Kevelaer Disposition pdf-Datei (50 KB)



Weitere Informationen und aktuelle Termine finden Sie auf www.basilikamusik-kevelaer.de





Deutsch-Romantik, im Originalzustand klingend

Die große Seifert-Orgel in der Kevelaer Marienbasilika
von Karl-Heinz Göttert, Köln

aus "ARS ORGANI", 55. Jahrgang, Heft 3, September 2007


Wallfahrten sind in der heutigen Welt fremd geworden. In den Medien erscheinen noch am ehesten Nachrichten über den Jakobsweg, besonders zum Tag des Heiligen Ende Juli, wenn das große Weihrauchfass durch die Kirche geschwungen wird. Aber auch ohne spektakulären Hintergrund ist das alte Motiv nicht völlig erloschen: die Bitte um Hilfe bei bewährten Helfern, bei den großen Heiligen oder der Gottesmutter. Am Niederrhein bildete sich das kleine Kevelaer seit dem 17. Jahrhundert als wichtigster Wallfahrtsort heraus, zog das äußerlich unscheinbare Marienbild in der Gnadenkapelle die Trost Suchenden an. Bis heute konnte sich der Zuspruch behaupten, aber er hat auch mächtige Unterstützung erhalten. 1864 war die Marienbasilika fertiggestellt – neogotische Kathedralgotik mit einem Fassungsvermögen für mehr als tausend Pilger. Ein Vierteljahrhundert lang begnügte man sich mit einer bescheidenen Orgel. 1904 suchte Prälat Brockes als Rektor der Kevelaer Wallfahrt einen Partner zur Errichtung eines großen Instruments, das den liturgischen Anforderungen entsprechen sollte. Damit begann der Bau einer der damals und noch heute bemerkenswertesten Orgeln Deutschlands.

Es war ein seltsames, aber auch kluges Ansinnen, das die Entscheidung für das Haus Seifert brachte. Brockes verlangte, dass der Orgelbauer eine Dependance am Ort errichten müsse. Während die Renommierten der damaligen Zeit – insbesondere Walcker in Ludwigsburg und Sauer in Frankfurt/Oder – daraufhin abwinkten, schickte der Kölner Orgelbauer Ernst Seifert seinen Sohn Romanus nach Kevelaer. Binnen zwei Jahren – die Einweihung fand 1907 statt – entstand die größte Orgel Deutschlands: ein Riese mit 122 Registern. Selbst im Berliner Dom waren es nur 113, erst in Passau sollten es 1928 mehr als 200 Register werden, allerdings auch verteilt auf fünf Werke (die Hauptorgel besaß 106 Register). Eine Großleistung also in Kevelaer, zu der die äußere Gestalt passte. Friedrich Stummel, der Chor, Vierung und Querhäuser der Basilika um 1900 im Stil der Nazarener ausgemalt hatte (das Langhaus wurde später angepasst), entwarf zusammen mit dem Architekten auch das reich verzierte Eichenholzgehäuse mit seinen Wimpergen und dem Figurenschmuck als Rahmen eines ganzen Waldes von Zinnpfeifen. In eigenartiger Nostalgie entstand auf imitierter Empore der Prospekt als ‚gotisches’ Schwalbennest, wie eben die Romantik die Gotik liebte, wobei der Spieltisch (vom Kirchenraum her unsichtbar) auf die reale Empore darunter rückte. Das Gehäuse war 14 Meter hoch, 9 breit und hatte die ganz ungewöhnliche Tiefe von 10 Metern: ein Haus für sich, durch das man wie durch Zimmer schreiten kann. Was aber bot dieses Instrument klanglich?

1907 war die Endphase jenes Orgelbaus, den man heute nicht sehr präzise als spätromantisch bezeichnet. In Frankreich dominierte Cavaillé-Coll die Szene, in Deutschland bauten die schon genannten Walcker und Sauer Großinstrumente, die im Prinzip eine ähnliche Tendenz verfolgten: die sinfonische Orgel mit lückenlosem Crescendo und Decrescendo (besonders dank gut funktionierender Schwellwerke), mit stark ausgebautem grundtönigem Bereich, mit ‚schönen’ Solostimmen sowohl bei den Lingual- wie bei den Zungenregistern. Die Alternative lag am ehesten in der französischen Betonung des Zungenplenums mit seinen schmetternden Trompeten und Clairons, während die deutsche Spätromantik eine ‚unendliche’ Variabilität der Klänge und Klangmischungen anstrebte. Die Disposition, die Seifert austüftelte, zeigt die deutsch-romantische Grundtendenz schon auf den ersten Blick und buchstabiert sie zugleich auf sehr eigene Weise aus. Die vier Teilwerke, die den vier Manualen zugeordnet sind, standen alle auf 16’-Basis und enthielten in massiver Weise Grundstimmen im 8’-Bereich. Am kräftigsten ausgebildet war das Hauptwerk, davon jeweils leicht abgestuft das Oberwerk und das Schwellwerk. Am schwächsten war etwas, das den deutsch-romantischen Orgelbau besonders auszeichnete: ein (sogar schwellbares) Fernwerk mit 18 Stimmen im nördlichen Querarm, dank eigenem Spieltisch auch als Chororgel benutzbar.

Man muss sich allerdings in die Disposition vertiefen, um den speziellen Stilwillen zu erkennen, der aus dieser Fülle ein Ganzes machte. Das Hauptwerk verdankte seine Dominanz drei 16-Füßen: Principal, Bordun und Gamba (letztere fehlt seit 1945). Auch unter den Grundstimmen waren die Klangfamilien teilweise mehrfach besetzt, die Streicher sogar dreifach. Die Klangpyramiden gingen bis in den 1’-Bereich, die Aliquoten waren einzeln und als gemischte Stimmen mehrfach vertreten. Zwei Mixturen, beide tief liegend und damit unaufdringlich, bildeten die Klangkrone. Als Zungenstimmen waren Tuba 16’, Trompete 8’ und Euphon 8’ (später Feldtrompete 4’) eingesetzt – zur kraftvollen, aber nicht dominanten Abrundung des Gesamtklangs. Dazu stellte dann das Oberwerk die erste abgetönte Variante dar. Auch hier dienten zwei 16’-Stimmen als Grundlage (Viola, später ersetzt, und Gedackt). Neun labiale 8’-Stimmen standen zur Verfügung, darunter klangliche Raffinessen wie Flaut harmonique oder Seraphon-Gambe, auch eine Vox angelica. Die Aliquoten lagen höher, die Mixturen waren schärfer (aber noch ohne Octavzymbel und Scharff), die Zungen hatten unter anderem die besonders weichen, weil durchschlagenden Varianten (Fagott 16’ und Clarinette 8’). Klar, dass sich der wahre solistische Reichtum dieses Instruments im Schwellwerk entfaltete. Hier konnte man als 16-Füße auf Salicet (später ersetzt) und Lieblich Gedackt zurückgreifen, mit Seraphon Konzertflöte 8’ oder Flauto amabile 8’ (später ersetzt) der Orgel feinste Klänge entlocken. Hinzu kamen charakteristische Zungenstimmen wie Oboe 8’ oder Vox humana 8’ (letztere zusammen mit Gedackt 8’ in einem Sonderschwellkasten). Wem dies immer noch nicht genügte, fand im Fernwerk weitere Soloregister wie etwa das Cor Anglais 8’. Im Pedal sorgten drei 32-Füße für das nötige Fundament: Contrabaß, Untersatz und Bombarde (in voller Becherlänge). Principal-, Flöten-, Streicher- und Zungenchor waren voll ausgebaut, die Aliquoten reichlich besetzt. Nach dem Revisionsbericht des damaligen Kölner Domkapellmeisters Carl Cohen wirkte die Orgel insgesamt als eine Verbindung von „größter Mannigfaltigkeit und geschlossener Einheit, reicher, blühender Farbenpracht und majestätischer Fülle, lebhaftem Glanz und frischer Präzision, ungetrübter Reinheit und herrlichem Wohllaut“ – mit Augenzwinkern könnte man auch sagen: eine Orgel zum Katholischwerden.

Dass man dennoch bereits im Jahre 1926 zu einer Überarbeitung und Erweiterung des Instruments auf 131 Register schritt, lag an der weiterhin rasanten technischen, aber auch klanglichen Entwicklung. Während 1907 nur das Fernwerk elektrisch bedient wurde, die Orgel ansonsten pneumatisch funktionierte, kam es nun zu einer kompletten elektro-pneumatischen Anlage, die sich sehr bewähren sollte. Alles konnte über Koppeln mit allem verbunden werden, Sub- und Superkoppeln fügten den ohnehin gewaltigen Klängen auch noch die jeweiligen Oktaven hinzu. Die Attraktion lag in einer Melodiekoppel, die in einem Akkord jeweils den höchsten Ton allein verstärkte. Gleichzeitig wurde noch einmal klanglich draufgesattelt, und zwar nun in einer Richtung, die dem wiederkehrenden barocken/neobarocken Geschmack der im Elsass entstandenen Orgelbewegung entsprach. Im Schwellwerk tauchte ein Krummhorn 8’ auf, Ersetzungen wurden bereits erwähnt. Auch gab Romanus Seifert auf eigene Kosten dem Schwellwerk eine komplette Zungenbatterie in französischer Manier. Weitere Solostimmen wie die im Fernwerk postierte Celesta führten zum Höhepunkt in der Geschichte des Instruments. Keine andere Orgel in Deutschland konnte damals eine derartige Klangfülle bei gleichzeitig komplexester Technik bieten. Die Windladen, eine Erfindung Ernst Seiferts, hatten der Orgel immer schon eine sehr direkte und vor allem schnelle Traktur gegeben.

Dann aber folgte die Katastrophe. Während des Zweiten Weltkriegs zerstörte ein Granattreffer das Fernwerk, die Hauptorgel litt zunächst nur durch die Beschädigung des Daches mit entsprechenden Witterungsfolgen. 1945 diente die Kirche jedoch als Internierungslager, der hochgelegene Bereich der Orgel als ‚Wohnung’. Der Prospekt wurde zersägt, um Heizmaterial zu gewinnen, der Spieltisch verlor seine Silberdrähte, die zinnernen Prospektpfeifen waren schon vorher verschwunden. Dass man unter diesen Umständen 1946 noch einmal 110 Stimmen provisorisch spielbar machen konnte, grenzt schon an ein Wunder. 1976 folgte das noch größere: Nachdem zwischenzeitlich der Orgeltorso buchstäblich seinen Geist aufgegeben hatte, standen die Mittel für eine Restaurierung zur Verfügung und es galt nur noch die Frage zu beantworten, in welcher Richtung. Für das Gehäuse fiel sie kompromisslos aus: Nach einem Foto erstand wieder der alte Prospekt, in dem Zinn- statt der notdürftigen Zinkpfeifen für Glanz sorgten. Noch aber wollte man nicht die konsequente Rückführung auf den Stand von 1926. Anstelle des alten Fernwerks entstand in der Hauptorgel ein Echowerk, das zur Begleitung von Instrumentalisten und Sängern auf der Empore diente. Vor allem aber: Unter dem Eindruck der mittlerweile beherrschend gewordenen Orgelbewegung mit ihren barockisierenden Vorlieben schritt man auch in Kevelaer zur ‚Aufhellung’ und fügte in allen Teilwerken die entsprechenden scharfen Mixturen ein, zum Glück ohne die weicheren romantischen auszusortieren. Ernst Seifert junior (der Sohn von Romanus Seifert), der selbst noch in der Kölner Werkstatt gelernt hatte, führte harte Auseinandersetzungen mit den Sachverständigen, um das alte Klangbild nicht zu stark zu verändern. So blieben die wichtigsten Soloregister erhalten, darunter Einmaliges wie die sogenannten Seraphonstimmen, deren Pfeifen, mit doppeltem Labium versehen, eine ganz besondere Intensität bewirken. 1981 war die Restaurierung abgeschlossen. Dass sechs Jahre später eine weitere Vergrößerung erfolgte, die zur Gesamtzahl von 128 Registern führte, verdankt die Orgel dem Besuch von Papst Johannes Paul II. Der ohnehin gewaltige Klang erhielt Verstärkung durch ein Chamade-Werk mit eigener, und zwar erhöhter Windversorgung.

Noch einmal aber sollte der Orgel Glück beschert sein – diesmal als Glück im Unglück. Im Jahre 2002 machte ein Brand in der Kirche eine Reinigung erforderlich, die der Auslöser zu einem weit größeren Eingriff wurde. Nachdem Wolfgang Seifen in jahrzehntelangem Wirken der Orgel zur allmählichen Wiedererstehung verholfen hatte, eröffnete sich seinem Schüler und Nachfolger Elmar Lehnen die Möglichkeit einer schrittweisen Rückkehr zum Originalzustand von 1926. Nach hartem Ringen, bei dem auch andere Konzepte zur Debatte standen, wurde das Fernwerk nach dem alten Vorbild (allerdings ohne eigenen Spieltisch, weil im Chor mittlerweile eine kleine Orgel zur Verfügung stand) erneuert, nicht zuletzt mit ihrer geretteten Celesta. Das Echowerk steht jetzt als Auxiliarwerk zur Verfügung, zu dem auch die Chamaden sowie als Nebenstimmen eine Seraphon Celesta und ein Cymbelstern gehören. Der Spieltisch erhielt (besonders für Literaturspiel) eine elektronische Setzeranlage zur Programmierung von Registrierungen, fand ansonsten mit seinen Koppeln und auch der äußeren Gestalt nach seine frühere Form wieder. Für die Zukunft aber gaben Orgelbauer und Basilikaorganist die Devise einer weiteren Rückkehr zum Originalzustand von 1926 aus (14 Register fehlen noch). Klanglich stellt die Kevelaer Orgel mit ihren derzeit 135 Registern dabei schon heute das in Deutschland und der ganzen Welt größte und zweifellos auch überzeugendste Beispiel einer deutsch-romantischen Orgel mit weitgehend historischer Substanz dar. Welche Möglichkeiten sich an diesem Instrument bieten, drückt sich nicht zuletzt in den Nöten aus, die einen Gastorganisten beschleichen können: Was die Verschmelzung der Stimmen zu neuen Klängen betrifft, bietet die Orgel Herausforderungen, die jeden gewohnten Rahmen sprengen. Der im heutigen Orgelbau dominierenden Universalorgel mit ‚französischem’ Schwellwerk stellt das Kevelaer Instrument eine in sich schlüssige Konzeption von größter Attraktivität gegenüber, die sich vielleicht am ehesten durch die besondere Wärme des Gesamtklangs (unter besonderer Mitwirkung der Streicher) auszeichnet. Welch ein Glück, dass dieser Koloss erhalten blieb! Kaum zu begreifen aber auch, dass ihn (in der Fachwelt) immer noch ein Hauch von Dornröschenschlaf umgibt! Anlässlich der Festwoche im November wird die Orgel in zahlreichen Konzerten, unter anderem mit dem Straube-Schüler Heinz Wunderlich, ihre Qualitäten unter Beweis stellen (www.basilikamusik-kevelaer.de).


Kurz-Biografie:
Karl-Heinz Göttert ist Germanistikprofessor an der Universität Köln. Der Schwerpunkt seiner Forschungen liegt im Bereich der Kulturwissenschaft. Daneben hat er (zusammen mit Eckhard Isenberg) in mittlerweile fünf Büchern Orgeln in Deutschland, Europa und aller Welt beschrieben.




Die große Seifert-Orgel der Marienbasilika zu Kevelaer

von Gregor Klein, Geldern

aus "ARS ORGANI", 29. Jahrgang, Heft 3, September 1981 von Gregor Klein


Kevelaer, ein kleines Städtchen am linken Niederrhein nahe der holländischen Grenze, wird auch heute noch geprägt von der im 17. Jh. begonnenen Wallfahrt zu dem kleinen, unscheinbaren Marienbildnis, das in der Gnadenkapelle im Zentrum des Kapellenplatzes aufbewahrt wird. An der Ostseite dieses von mehreren Kirchen und Kapellen umsäumten Platzes ragt steil der 90 m hohe Turm der neogotischen Marienbasilika empor. Das dreischiffige, kreuzförmige Backsteinbauwerk ist bis 1864 im Stile der späten französischen Kathedralgotik zur Aufnahme der ständig anwachsenden Pilgerströme errichtet worden. Einer der Höhepunkte der Innenausstattung ist die pompöse Ausmalung von Chor, Vierung und Querhäusern mit einem wohl einzigartigen Bilderzyklus der Themen des Alten und Neuen Testaments. Die monumentalen Malereien im reinsten "Nazarenerstil" entstanden ein Vierteljahrhundert vor dem 1. Weltkrieg als das Lebenswerk des Kirchenmalers Friedrich Stummel. Sie sind in jüngerer Zeit kundig restauriert worden, wobei man jedoch in äußerst problematischer Weise versucht hat, das Langhaus an die schwere Farbenpracht Stummels anzupassen. Versöhnlich und zugleich frappierend wirkt da der Blick zur Westwand des Mittelschiffs. Dort prangt über einer gewaltigen Chor- und Orchesterempore eine wahre Wand hell glänzender Zinnpfeifen, gruppiert in einem enormen neugotischen Eichengehäuse nach Entwürfen Friedrich Stummels und des Düsseldorfer Baumeisters Pickel. Auffälliges Merkmal dieses Prospektes ist die imitierte "Orgelemporenbrüstung", die von einer Art "Rückpositiv" durchbrochen wird.

"Als eine meisterhafte, überaus glänzende Kunstleistung erscheint die vom Orgelbaumeister Ernst Seifert aus Cöln-Mannsfeld für die Wallfahrtskirche in Kevelaer erbaute neue Orgel. An Größe und Umfang überragt sie wohl alle derartigen Werke Deutschlands; in ihrer Konstruktion und Einrichtung liefert sie ein getreues und vollkommenes Abbild des derzeitigen Standes der Orgelbautechnik, und bezüglich der Klangbeschaffenheit stellt sie den Inbegriff des ästhetisch und musikalisch schönen Orgeltones dar: größte Mannigfaltigkeit und geschlossene Einheit, reiche blühende Farbenpracht und majestätische Fülle, lebhaften Glanz und frische Präzision, ungetrübte Reinheit und herrlichen Wohllaut. Wir haben es hier mit einem Werk zu tun, das die Hoheit und Würde einer 'Königin der Instrumente' vollkommen in sich verkörpert."

Soweit die Einleitung des "Orgelrevisionsberichts", den Domkapellmeister Carl Cohen als zuständiger Orgelsachverständiger am 10. September 1910 zu "Cöln" unterzeichnete. Eingedenk der Tatsache, dass zur Hervorbringung des "herrlichen Wohllauts" in "frischer Präzision" pneumatische Traktur und nicht weniger als 122 klingende Stimmen bemüht werden konnten, hätte als Fachurteil wenige Jahrzehnte später eher lapidar "Pfeifenbasar" oder gar "Orchestermaschine" gelautet. Dass diese Begriffe das Attribut "Denkmalorgel" keineswegs ausschließen müssen, hat man in Kevelaer rechtzeitig erkannt. So präsentiert sich die Marienorgel heute - frisch restauriert unter Leitung des Enkels ihres Erbauers Ernst Seifert - als rüstig genug, um den enormen täglichen Beanspruchungen in der stark frequentierten Wallfahrtskirche wieder für lange Zeit gewachsen zu sein.

Doch unbeschadet und unverändert hat die "Größte katholische Kirchenorgel Deutschlands" die Zeit bis heute keineswegs überstanden:

Um 1874 erhielt die Pilgerkirche ihre erste große Orgel aus der Werkstatt des Kevelaerer Orgelbauers Wilhelm Rütter. Doch schon 1905 "drängte der gewaltige Fortschritt und Aufschwung der damaligen Orgelbaukunst darauf hin, dass auch für Kevelaer die Zeit gekommen war, für den herrlichen Gottesdienst in seiner Wallfahrtskirche ein würdiges Instrument zu besitzen, das sämtliche Errungenschaften der modernen Orgelbautechnik in sich vereinigte und allen Anforderungen entspräche". 1906 bis 1907 also errichtete die Kölner Firma Ernst Seifert anstelle des Rütter-Werks, das teilweise in die Kevelaerer Pfarrkirche übertragen wurde, eine große Orgel auf der Westempore mit 104 Stimmen. Gleichzeitig entstand auf einer kleinen Empore im nördlichen Querhaus eine 18registrige, ganz im Schwellkasten stehende Chor- und Fernorgel. Dieses Fernwerk hatte einen eigenen einmanualigen Spieltisch und war auf elektropneumatischem Wege an das vierte Klavier des Hauptspieltisches angeschlossen. Sämtliche Laden waren nach dem 1882 von Ernst Seifert erfundenen, rein pneumatischen Membransystem ausgeführt. Der Spieltisch war mit den seinerzeit üblichen zahlreichen Hilfseinrichtungen versehen: besondere Erwähnung verdienen die pneumatisch kreuzweise wirkenden Oktavkoppeln zwischen II/I und III/II, die auch noch der Wirkung der normalen Koppeln unterworfen waren, wodurch nach Urteil des Revisors Cohen "eine gewaltige Verstärkung" zu erzielen war. Über drei Schwelltritte wurden die Jalousien des Fernwerks, des Hauptschwellkastens - der neben den Stimmen des III. Manuals auch einige Pedalregister enthielt - sowie des kuriosen Pedalschwellkastens "Schwellertremolo" für Vox humana 8' und Gedackt 8' betätigt. Domkapitular Cohen beurteilte die gesamte Spieltischeinrichtung als dergestalt, dass sie den "Orgelkünstler befähigt, mit der Souveränität eines Orchesterdirigenten den ganzen Instrumentenapparat nach den Regeln der Kunst und in allen erdenklichen Schattierungen und Tonfarben spielen zu lassen."

1907 war der innere Aufbau dieses "Instrumentenapparats" folgender: unten, in Höhe des scheinbaren Rückpositivs, gruppierten sich die Laden des Hauptwerks unmittelbar hinter dem Prospekt, dahinter in der durch einen großen Spitzbogen mit dem Kirchenraum verbundenen oberen Turmhalle in mehreren Abteilungen die Laden des Pedals, darunter der Hauptschwellkasten, mit nach vorn und oben öffnenden Jalousien und chromatischen Laden. Hinter den großen Mitteltürmen wurde das Oberwerk, gleichfalls chromatisch, von hinten nach vorn fallend, angeordnet. Über dem Turmhallengewölbe und unterhalb des Hauptwerks lagen die beiden Magazinbälge der Hauptorgel, die einen Winddruck von 120 mm WS lieferten.

Schon in den Jahren des 1. Weltkriegs mussten, als erste Veränderung, die Zinnlegierungspfeifen des Prospekts abgeliefert und durch solche von Zink ersetzt werden. Um 1926 beschloss man dann eine beträchtliche Vergrößerung der Orgelbühne, auf der nun der Chor und das Orchester der Basilika ausreichend Platz finden sollten. Da aber der feststehende Spieltisch jetzt störend wirkte, erhielt das Haus Seifert den Auftrag, das Instrument zu elektrifizieren und den Spieltisch fahrbar zu gestalten. Die folgenden Arbeiten boten Gelegenheit, die schon leicht "elsässisch" beeinflusste Disposition von 1906 nunmehr ganz in diesem Sinne zu erweitern: das Schwellwerk wurde mit einer an das Récit von Cavaillé-Coll und Mutin erinnernden Zungenbatterie versehen: außerdem fügte Romanus Seifert, teils auf eigene Kosten, neue Mixturen und eine eigenartig verschleiert klingende Celesta hinzu. Für die Erweiterung wurde oberhalb des Pedals ein zusätzlicher, gemauerter Schwellkasten untergebracht. Die Registerzahl stieg auf 131. Eine beträchtliche Ergänzung erfuhr auch die Koppelanlage, die es - nunmehr elektrisch - vermittels 27 Einzelkoppelwippen gestattete, sämtliche Werke in jeder nur erdenklichen Weise zu verbinden. Auch eine Melodiekoppel fehlte nicht.

In den letzten Tagen des 2. Weltkrieges erhielt die bis dahin verschont gebliebene Basilika einen Bombentreffer, der das Fernwerk restlos zerstörte, die Hauptorgel jedoch unbeschädigt ließ. Die nachfolgende Zeit aber, in der die Basilika als Internierungslager genutzt wurde, erwies sich als verhängnisvoll für das Werk. Man demontierte große Teiles des Prospektes, um diese mit anderen Holzteilen zu verheizen, und richtete schwerste Schäden an Laden, Elektrik und Pfeifenwerk an. Sobald die Verhältnisse es wieder erlaubten, begann die Firma Seifert, mit dem damals nur zur Verfügung stehenden schlechten Material, das Instrument provisorisch zu konsolidieren und spielfähig zu machen. Dabei mussten mehr oder weniger notgedrungen einige Stimmen aufgegeben werden. Dennoch dachte man daran, Ersatz für das verlorengegangene Fernwerk zu schaffen. Die Firma Seifert baute ein "barockes Werk", das seinen Platz im Unterbau der Orgel anstelle des dortigen Schwellkastens finden sollte, und verlegte das Schwellwerk in eine neue gewaltige Kammer hinter dem Gewölbebogen der Turmkammer. Der Prospekt konnte nur in seiner Höhe stark reduziert und in der Gestaltung sehr vereinfacht wieder aufgerichtet werden. Auch musste der neugewonnen Platz für das Unterwerk aus finanziellen Gründen ungenutzt bleiben. Das schon fertiggestellte Werk mit 12 Registern wurde 1947 kurzerhand in die gleichfalls im Wiederaufbau befindliche Seifert-Orgel des Sankt-Quirinus-Münster zu Neuss übertragen.






Die größte katholische Kirchenorgel Deutschlands

Eine kleine Einführung in den Werdegang der Orgel

von Gerhard Korthaus, Organist an der Basilika, von September 1926

Es war ein langgehegter Wunsch des Unterzeichneten, der seit 1890 Organist an der Wallfahrtskirche ist, für diese Kirche, wohin alljährlich Hunderttausende von Pilgern strömen, eine dementsprechende, mit den mordernsten Mitteln der damaligen Orgelbaukunst ausgestattete Orgel zu erhalten. Wenn auch die im Jahre 1874 von dem Kevelaerer Orgelbaumeister Rütter erbaute alte Orgel für ihre Zeit eine beachtenswerte Leistung darstellte, so drängte doch der gewaltige Fortschritt und Aufschwung der damaligen Orgelbaukunst darauf hin, dass auch für Kevelaer die Zeit gekommen war, für den herrlichen Gottesdienst in seiner Wallfahrtskirche ein würdiges Instrument zu besitzen, das sämtliche Errungenschaften der modernen Orgelbautechnik in sich vereinigte und allen Anforderungen entspräche. Der derzeitige geistliche Chorleiter Felix Achtermann begeisterte sich sehr für die Sache und so konnten wir gemeinsam mit dem Plane an den hochseligen Herrn Prälaten Brockes, den damaligen Pfarrer von Kevelaer herantreten, der unserem Anliegen bereitwillig Gehör verlieh und gerne seine Einwilligung gab. Nachdem nun Orgeln verschiedener Firmen angesehen, geprüft und Kostenanschläge eingefordert waren, wurde dem Orgelbaumeister Ernst Seifert, Köln-Mannsfeld der Auftrag zuteil, Pläne für eine neue große Orgel anzufertigen. Schon damals plädierte Chordirektor Achtermann für eine Vergrößerung der Orgelbühne, um mehr Raum für seinen Chor und Orchester zu bekommen, doch kam die Vergrößerung leider nicht zur Ausführung. Orgelbaumeister Seifert hatte den Plan, das Hauptwerk mit 104 klingenden Stimmen am Ende des Hauptschiffes im Turm aufzustellen, während die Fern- oder Hilfsorgel mit 18 Registern im Seitenschiff über die Sakristei ganz in einen Schwellkasten eingebaut, ihren Platz finden sollte, wo auch ein selbständiger Spieltisch vorgesehen war. Es bestand die Absicht, das Werk ganz nach Seifertschem Membranen-System pneumatisch einzurichten und die Fernorgel dem Hauptwerke elektro-pneumatisch anzuschließen, um das Fernwerk auch von dem Hauptspieltische aus bedienen zu können. Die Disposition (Zusammenstellung der Register) wurde nach Rücksprache mit maßgebenden Fachleuten aufs peinlichste geprüft und zusammengestellt, so dass die Prüfungsstelle bei der bischöflichen Behörde nichts zu beanstanden hatte. Nach diesen Plänen wurde das Werk 1905 in Auftrag gegeben. Das künstlerische Orgelgehäuse wurde vom Baumeister Pickel in Düsseldorf und Kunstmaler Stummel, Kevelaer, entworfen und seine Ausführung den Bildhauern Holtmann und Gebrüder van Bremen, Kevelaer, übergeben. Das Riesenwerk ging 1907 der Vollendung entgegen. Die Abnahme konnte bereits im Juni im Beisein und Mitwirkung hervorragender auswärtiger Orgelkünstler stattfinden. In Fachkreisen wurde allgemein die wundervolle Intonation, die Altmeister Seifert den einzelnen Registern, wie auch dem ganzen Werk als solchem verliehen hatte, anerkannt, nicht zuletzt die abgerundete Wirkung des vollen Werkes, die trotz all ihrer majestätischen Wucht niemals dem Ohre wehe tut.


Zum Lobe der Firma muss erwähnt werden , dass das Werk, welches jetzt fast 20 Jahre steht, bei allen Witterungs- und Temperaturverhältnissen stets ungestört funktionierte. Wenn man berücksichtigt, dass wohl selten eine Orgel in so angestrengtem Maße gebraucht wird, wie es in der Wallfahrtskirche der Fall ist, dürfte der Beweis erbracht sein, dass das Prinzip, welches die Firma Seifert mit ihren Membranladen verfolgt, unbedingt richtig ist. Der Umbau der Orgelbühne wurde immer mehr eine dringende Notwendigkeit durch die stete Zunahme der Wallfahrt und die dadurch bedingte Vergrößerung von Chor und Orchester. Der jetzige geistliche Chordirektor Schmäing, ein für das musikalische Leben Kevelaers und besonders der Wallfahrt unermüdlich tätiger Mann, gewann den um das Wallfahrtsleben hochverdienten und weitsichtigen Prälaten Kempkes für eine Vergrößerung der Orgelbühne und der dadurch bedingten Verlegung des Spieltisches. Durch diesen notwendigen Umbau angeregt, machte die Firma Ernst Seifert Söhne Cöln-Kevelaer den Vorschlag, bei dieser Gelegenheit die ganze Orgel, dem Fortschritt im Orgelbau entsprechend, elektrisch umzubauen, um so mehr, als die elektrische Traktur alle Beschränkungen aufhebt, und, was besonders zu betonen ist, es ermöglicht, dem Spieltische Bewegungsfreiheit zu geben, ihn also fahrbar zu machen. Weil gerade die Firma Seifert sich seit Jahren im Bau mit großen elektrischen Orgeln viel Erfahrungen gesammelt hat, so gab Herr Prälat Kempkes, der kein Opfer scheut, um den aus Nah und Fern herbeiströmenden Pilgern den Gottesdienst, der Bedeutung Kevelaers entsprechend, immer mehr zu verschönern, den Auftrag, die Orgel elektrisch umzubauen, den Spieltisch fahrbar zu machen und das III. Manual, welches im Schwellkasten liegt, dem heutigen Stand der Orgeldisposition entsprechend stärker auszubauen. Der fahrbare Spieltisch, ein Kunstwerk für sich, besitzt 4 Manuale mit je 61 Tasten, und ein 2 ½ Octav großes Pedal. Der Spieltisch ladet zu beiden Seiten in halbrunde Bogen aus, wodurch die Register äußerst bequem zu bedienen sind. Jedes einzelne Register lässt sich außer der Registerplatte mit noch 3 freien Kombinationen einstellen. Die Koppeln geben dem Spieler die Möglichkeit, die Manuale unter sich, die einzelnen Register, sowie letztere mit dem Pedal zu verbinden. Besonders schöne Wirkungen lassen sich durch die Melodiekoppel erzielen. Der Spieltisch hat eine ganze Menge fester Kombinationen und Hilfszüge. Die Registrierung der Orgel ist durch die Farbenunterschiede in den Registerplatten und Knöpfen so übersichtlich, dass der Spieltisch trotz seiner 650 Schaltungen mit Leichtigkeit von einem Spieler bedient werden kann. Über dem Pedal ist zunächst die Crescendowalze angebracht, deren Bewegung vom feinsten Pianissimo bis zum größten Forte durch einen Zeiger am Spieltisch angedeutet wird. Neben der Walze liegen 3 Schwelltritte für den Fuß, wodurch sich die hinter den Prospektpfeifen angebrachten Füllungen öffnen und schließen lassen, und so ein an- und abschwellen der einzelnen Register bewirken. Als bemerkenswerte Neuerungen wären noch 10 kleine Trittwalzen, die als Hilfszüge dienen, zu nennen, deren Funktion durch Lichtsignale am Spieltische beobachtet werden kann. Durch die rein elektrische Traktur, welche allein an 20.000 Meter Kabel und 10.000 Kontakte bedingt, wodurch jede Windzuführung zum Spieltisch wegfällt, ist die Ansprache auch äußerst präzise. Das Hauptgebläse steht im oberen Turm und wird von 2 Motoren getrieben, während eine Dynamomaschine den Schwachstrom für die elektrische Traktur liefert. Insgesamt hat die Orgel 10.000 Pfeifen, von denen die größte eine Länge von 10,40 Meter und 50 Zentimeter Durchmesser hat, die kleinste ist 6 Millimeter lang mit einem Durchmesser von 3 Millimeter.

Gerhard Korthaus